Eine würdige Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus
  Herrn

Oberbürgermeister

Christian Ude


München, den 8. 9. 2000


ANTRAG


Eine würdige Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus

Eine andere Form der Erinnerung im öffentlichen Raum


1. Die Stadt München errichtet eine würdige Gedenkstätte an einem zentralen Ort in der Innenstadt für die Opfer des Nationalsozialismus und für die wegen ihres Widerstandes gegen den Nationalsozialismus Ermordeten. Als Orte hierfür werden insbesondere geprüft: der Königsplatz, der Jakobsplatz bzw. die unmittelbare Umgebung sowie die Möglichkeit einer Aufwertung des Platzes der Opfer des Nationalsozialismus. Auch weitere Orte sollen vorgeschlagen werden.

2. Dieses Vorhaben soll mit allen Opferorganisationen besprochen werden. Ziel wäre die Errichtung bis zum 60. Jahrestag der Befreiung am 30. 4. 2005.

3. Für die Ausgestaltung dieser Gedenkstätte soll ein Wettbewerb ausgelobt werden.

4. Gleichzeitig soll für das ehemalige "NSDAP-Parteiviertel" zwischen Königsplatz, Karlstraße, Karolinenplatz und Gabelsbergerstraße eine Form der Erinnerung an die von dort ausgegangenen Verbrechen im öffentlichen Raum gesucht und umgesetzt werden. Dies soll eine künstlerische, städteplanerische oder architektonische Gesamtkonzeption sein. Hierfür wird ein Ideenwettbewerb ausgelobt.

5. In diesem Zusammenhang sind dem Stadtrat Überlegungen für ein Dokumentationszentrum am Königsplatz darzustellen. Es soll aufgezeigt werden, ob Möglichkeiten für ein Dokumentationszentrum in den unterirdischen Anlagen am Königsplatz bestehen oder auf einer der angrenzenden Freiflächen. Ach Vorschläge, die Sockel der ehemaligen "Ehrentempel" entsprechend zu nutzen sollen nochmals geprüft werden. In diesem Zusammenhang ist darzustellen, was aus den Wettbewerbsergebnissen von 1990 wurde, wo es um eine geplante Bebauung des Geländes des ehemaligen "Braunen Hauses" ging.

6. Die Landeshauptstadt München soll mit der Bayerischen Staatsregierung verhandeln in den Fällen, in denen die Gebäude im Besitz des Freistaates sind. Weiterhin soll die Stadt mit der Bundesregierung sowie der Stiftungsinitiative Erinnerung, Verantwortung, Zukunft über Möglichkeiten gemeinsamer Finanzierung verhandeln.

Begründung:

Die Topographie des Terrors darf nicht verschwinden. München ist für immer mit dem beschämenden Titel Hauptstadt der Bewegung verbunden. München ist verbunden mit dem ebenfalls beschämenden und verharmlosenden Titel Hauptstadt der Deutschen Kunst. In dieser Stadt wurden die NSDAP und Hitler groß. München war für die Faschisten eine der wichtigsten Städte neben Berlin und Nürnberg. Hier war der Marsch auf die Feldherrnhalle. Hier lagen wichtige Kultstätten der Nationalsozialisten. Hier war die Reichsparteizentrale der Nationalsozialisten. Von hier aus wurde der Parteiapparat der Nationalsozialisten organisiert und am Laufen gehalten. Mehr als fünfzig Gebäude waren in München im Besitz der NSDAP - das war fast die Hälfte ihres gesamten Immobilienvermögens. Der herausragenden Rolle Münchens während der Nationalsozialistischen Herrschaft werden aber weder die Gedenkstätten noch die Erinnerung im öffentlichen Raum gerecht.

Das gegenwärtige Denkmal am Platz der Opfer des Nationalsozialismus erscheint als Verlegenheitslösung. Es ist ein Platz ohne Hausnummern, eingezwängt zwischen Parkplatz und vierspurigen Straßen, ohne Weg zum Denkmal. Die Gedenktafeln die an die Opfer der Nationalsozialisten erinnern wirken teilweise verharmlosend (wie die Gedenktafel an der Bayerischen Landesbank zum Wittelsbacher Palais) oder eher zufällig.

Aufklärung über die Verbrechen des Nationalsozialismus auch und gerade im öffentlichen Raum ist eine der Grundlagen für den Kampf gegen rechts. Deshalb ist es notwendig, endlich eine würdige Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus und die wegen ihres Widerstandes gegen dieses Terrorregime Ermordeten zu errichten. Gleichzeitig sollte versucht werden in einer Gesamtkonzeption das ehemalige NSDAP-Parteiviertel im öffentlichen Raum sichtbar werden zu lassen. Hierzu gehört auch ein entsprechendes Dokumentationszentrum.

Es versteht sich von selbst, daß keine Orte für rechtsradikale Gesinnung entstehen sollen. Es soll vielmehr deutlich gemacht werden: die Zeit des Nationalsozialismus ist Teil der Münchner Geschichte. München stellt sich dieser Geschichte und besetzt die ehemaligen Täterorte als Orte der Aufklärung.

Siegfried Benker | siegfried.benker@muenchen.de