Deutsche Kolonialgeschichte und Straßennamen in München
  16. Juni 2003


ANTRAG


Entkolonialisierung der Münchner Straßennamen


Der Stadtrat möge beschließen:

1. Dem Stadtrat wird dargestellt, welche Münchner Straßennamen in den zwanziger Jahren, vor allem aber nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Personen, Ereignissen und Orten aus der Geschichte der ehemaligen Deutschen Kolonien benannt sind. Hier wird insbesondere auf das sog. "Kolonialviertel" in Trudering Bezug genommen.

2. Dem Stadtrat wird ein Vorschlag unterbreitet, wie mit diesem Kolonialerbe umgegangen werden soll. Dabei wird aufgezeigt, welche Straßennamen aufgrund der Verbrechen der genannten Persönlichkeiten bzw. der Bezugnahme auf Schauplätze von Kolonialverbrechen auf alle Fälle umbenannt werden sollten, welche Straßennamen zumindest einer Ergänzung durch eine kleine erläuternde Tafel bedürfen und welche Bezeichnungen auch aus heutiger Sicht unproblematisch sind.

3. Für die umzubenennenden Straßen werden Vorschläge erarbeitet, die an die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft erinnern.


Begründung:
Aufgrund der Eingemeindung Truderings am 1. April 1932 beschloss der Stadtrat der Landeshauptstadt München im Juni 1933 eine groß angelegte Umbenennung von Straßen. Dies geschah zum einen um Doppelbenennungen im Stadtgebiet nach der Eingemeindung zu vermeiden, zum anderen aber um dem jahrelangen Drängen der Kolonialvereinigungen nachzugeben und eine verherrlichende Erinnerung an die Deutschen Kolonien im Stadtgebiet zu verankern.
Die deutsche Kolonialgeschichte spielt sich im wesentlichen im Zeitraum von 1884 bis 1918 ab. In dieser Zeit wurden verschiedene Länder und Landesteile entweder gekauft, erschlichen oder erobert. Heute fast vergessen sind die Verbrechen, die hierbei an der einheimischen Bevölkerung verübt wurden. Besonders brutale Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden z. B. von deutschen Truppen begangen bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes 1904 in Deutsch-Südwest-Afrika, bei der Niederschlagung der Aufstände in Deutsch-Ostafrika, bei den "Befriedungsaktionen" in Kamerun sowie bei der Niederschlagung des Boxer-aufstandes in China durch ein internationales Expeditionskorps.
In München sind Straßen und Plätze nach den Verantwortlichen von Massakern benannt und nach den Orten an denen diese stattfanden. So existiert nach wie vor eine "von-Trotha-Straße", benannt nach Generalleutnant Lothar von Trotha (1848 – 1920), Führer der deutschen "Schutztruppe", dem Verantwortlichen für die Ermordung von bis zu 60.000 Hereros im Sommer und Herbst 1904. Es existiert eine "Waterbergstraße", benannt nach dem Ort der Schlacht gegen die Hereros im ehemaligen "Deutsch-Südwest-Afrika" von wo ausgehend die Vertreibung und das Festhalten der Hereros im wasserlosen Sandfeld stattfand.
Es existiert eine Straße, benannt nach Major Hans Dominik, der die "Befriedungsaktionen" im ehemaligen Deutsch-Kamerun durchführte, der Überfälle auf Dörfer traditionell mit dem Gruß ""Waidmannsheil" für seine Soldaten eröffnete und der in Kamerun noch heute den Beinamen "Schreckensherrscher von Kamerun" hat.
Mit der Taku-Fort-Straße und der Tsingtauer Straße wird an das deutsche Pachtgebiet in China und die Niederschlagung des Boxeraufstandes 1900 erinnert. Kaiser Wilhelm II. verabschiedete die Soldaten damals in Bremerhaven mit der berühmt-berüchtigen "Hunnenrede": "Kommt Ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht...Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erschienen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bekannt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen." An diese Vorgabe haben sich die Teilnehmer der "Strafexpedition" gehalten.
In München sind noch immer ca. 25 Straßen nach Personen und Orten benannt, die die deutsche Kolonialgeschichte glorifizieren und verharmlosen sollen. Der Stadtrat sollte sich dafür entscheiden, seine Straßennamen zu entkolonialisieren. Dies muss nicht in jedem Fall eine Umbenennung bedeuten. In verschiedenen Fällen kann eine Ergänzung durch eine erläuternde Tafel oder eine Aufnahme in einen später zu errichtenden Kulturpfad für Trudering eine Möglichkeit des Umgangs mit der Geschichte sein.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – rosa Liste
Initiative: Siegfried Benker

>>>Zu den Hintergründen einiger Straßenbezeichnungen

Siegfried Benker | siegfried.benker@muenchen.de