Deutsche Kolonialgeschichte und Straßennamen in München
 
"Weil keiner seinesgleichen ausplündern, unterjochen oder töten kann, ohne ein Verbrechen zu begehen, erheben sie es zum Prinzip, daß der Kolonisierte kein Mensch ist....Die koloniale Gewalt hat nicht nur den Zweck, diesen unterdrückten Menschen Respekt einzujagen, sie versucht sie zu entmenschlichen."
Jean-Paul Sartre

In seinem Buch "Deutsche Kolonien" von 1981 schreibt der Schriftsteller Uwe Timm:
"Im öffentlichen Bewußtsein ist die deutsche koloniale Vergangenheit heute – wenn überhaupt – noch immer in der Weise präsent wie vor 1945: Als Legende vom tüchtigen Deutschen, der in Afrika Straßen und Eisenbahnen gebaut und den Schwarzen das Einmaleins beigebracht hat. Daß diese Legende so hartnäckig weiterlebt, läßt sich wohl auch damit erklären, daß man wenigstens auf diesem Gebiet glaubt – nach den Entsetzlichkeiten des deutschen Faschismus – anderen Völkern etwas vorauszuhaben. Der neue deutsche Staat hatte eben kein Algerien, Indonesien oder Mocambique, wo Franzosen, Holländer und Portugiesen versuchten, mit allen Mitteln, auch mit Folter und Terror, Unabhängigkeitsbewegungen niederzuschlagen.
Auch die Deutschen haben Kolonialkriege geführt, und zwar mit Erfolg – nur fünf Jahrzehnte vorher. Die Kolonialmächte standen sich in nichts nach, was die Ausplünderung von Land und Leuten anging, und auch nicht in der Brutalität, mit der sie jeglichen Widerstand der Unterdrückten niederschlugen.....
Damals (vor 1914) wurde zwar in allen Kolonien kräftig geprügelt, in den deutschen vielleicht doch noch etwas mehr. Im Alltag spontan mit der Faust oder dem Fuß, amtlich und darum aktenkundig mit der Nilpferdpeitsche und dem Tauende. Auf Antrag des "Arbeitgebers" konnten die "eingeborenen Arbeiter" nach einer bis zum Verlust der Kolonien geltenden Verfügung vom 22. April 1896 bei "Trägheit", "Pflichtverletzung", "Widersetzlichkeit" und "unbegründeten Verlassens ihrer Dienststelle" mit körperlicher Züchtigung oder mit Kettenhaft bestraft werden. Wie man den von deutschen Beamten sorgfältig geführten Berichten über die Zahl der Prügel- und Rutenstrafen entnehmen kann, war in allen Kolonien eine von Jahr zu Jahr ansteigende Zahl von Exekutionen zu verzeichnen. Die Regel waren 25 Hiebe, und Kamerun wurde vor dem ersten Weltkrieg "the twenty-five country" genannt.
...Die Antwort der Kolonisatoren, in unserem Fall der Deutschen, war auf Ungehorsam die Peitsche, auf Arbeitsverweigerung die Kettenhaft und auf den bewaffneten Aufstand Erschießen, Erhängen und versuchter Völkermord."

Die Geschichtsschreibung hat sich des Themas der deutschen Kolonialgeschichte nur sehr zögerlich angenommen. Es fehlen nach wie vor für viele Bereiche systematische historische Forschungen. Wer im Internet zu diesem Thema forscht, stößt eher auf suspekte Homepages von Traditionsverbänden, die noch heute Verbrechen der Kolonialzeit leugnen und beschönigen als auf hilfreiche historische Untersuchungen. Im August 2004 jährt Völkermord an den Herero zum hundertsten Mal. Eine solche runde Jahreszahl könnte die Stadt zum Anlass nehmen, öffentlich ein Signal zu setzen und wenigstens die Straßen umzubenennen, die nach offensichtlichen Verbrechern benannt sind.


Deutsche Kolonien
Durch die Zersplitterung des Deutschen Reiches Durch Durch die Zersplitterung des Deutschen Reiches vor 1871 besaß Deutschland – im Gegensatz zu den anderen europäischen Großmächten - Mitte des 19. Jahrhunderts noch keine Kolonien. Nach der Reichsgründung 1871 begannen Abenteurer und Kolonisatoren damit, Landstriche, vor allem in Afrika, auf eigene Faust zu erwerben.
Bis 1884 weigerte sich das Deutsche Reich zunächst, diese Besitztümer als deutsche Kolonien anzusehen. Erst mit der Ausstellung von "Schutzbriefen" wurden diese Besitztümer unter Verwaltung des deutschen Reiches gestellt. Nach und nach wurden erworben: Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Kiautschou (China), Samoa, Deutsch-Neuguinea (Kaiser-Wilhelmsland, Bismarckarchipel sowie verschiedene Inselgebiete). Diese Kolonien wurden entweder bereits während des I. Weltkrieges von Kriegsgegnern Deutschlands erobert oder aber durch den Friedensvertrag von Versailles abgetreten.

Straßenbenennungen
Dieser Verlust der Kolonialgebiete führte bei den sogenannten Kolonialvereinen sowie den Veteranenverbänden der Soldaten ("Schutztruppler") die in den Kolonien gekämpft hatten zu fieberhaften Aktivitäten um zum einen eine Rückgabe der Kolonien zu erreichen zum anderen aber die Kriegshandlungen in den Kolonien zu glorifizieren und die Erinnerung daran wachzuhalten. Diese Aktivitäten führten auch in München zu den Straßenbenennungen in Trudering nach dessen Eingemeindung am 1. April 1932. Im Rahmen einer groß angelegten Umbenennungsaktion wurden knapp dreißig Straßen nach Persönlichkeiten und Orten aus der deutschen Kolonialgeschichte benannt.
Über eine Reihe von Straßenbezeichnungen konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden als in der offiziellen Liste angegeben. Diese finden sich dann hier nicht mehr wieder. Schwerpunkt bilden die nach Personen benannten Straßen.

I. Deutsch-Südwestafrika
II. Deutsch-Ostafrika
III. Kamerun
IV. Togo, China, Samoa und Neuguinea
V. 100 Jahre Schlacht am Waterberg

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Siegfried Benker | siegfried.benker@muenchen.de